Zeit der Pfahlbauten auf der Insel

vg
Lage des Gemäldes im Kreuzgang

Bilddaten

Das erste historische Gemälde zur Geschichte der Insel in Konstanz.

Zeit der Pfahlbauten auf der Insel

Zeit der Pfahlbauten auf der Insel, Zustand 2014.

Bildbeschreibung

Zeit der Pfahlbauten auf der Insel

Zeit der Pfahlbauten auf der Insel, Original-Zustand um 1900 fotografiert.

Geschichtsfakten

Ab 1810 fanden erste gezielte Sammlungen von Fundstücken aus der vorschriftlichen Zeit am Bodensee statt und ab 1862/3 kam es zu geplanten sowie großflächigen Projekten zur Erforschung der Pfahlbauten am Bodensee. Dabei fand man Gegenstände aus der Stein-, Kupfer- und Bronze-Zeit. 1  In der Konstanzer Bucht unternahm Ludwig Leiner mehrere Untersuchungen: 1872 in der Bucht von Rauenegg sowie 1882 beim Frauenpfahl und am Ufer bei Hinterhausen, wobei er eine sehr große Anzahl an Fundstücken verzeichnete. 2  Alle drei Areale liegen nordöstlich der Insel - auf der nördlichen - der anderen - Rheinseite. - Diese Funde erstrecken sich auf die frühe bis mittlere Steinzeit und die frühe sowie späte Bronzezeit.

Reste neolithischer und Steinzeit-Dörfer wurden zwar an zahlreichen Stellen im süddeutschen Raum, der Schweiz und auch am Bodensee gefunden (siehe hierzu z.B. das nachgebaute Dorf in Unteruhldingen). Ob sich jedoch auf der Dominikaner-Insel eine Pfahlbausiedlung befand, ist selbst nach heutigem Forschungsstand zumindest unsicher. - Es fanden sich zwar vor und nach der Erstellung des Bildes zahlreiche Fundstücke in der Konstanzer Bucht, die auf Pfahlbauten hinweisen, sodass manche Archäologen vermuten, dass sich auch auf der Insel solche befunden haben könnten. 3  Es fanden hierzu jedoch noch keine Ausgrabungen direkt auf der Insel statt, sodass bis heute keine sicheren Belege existieren.

Die wenigen Fundstücke in der Nähe der Insel wurden im 19. Jahrhundert bei den Ausgrabungen am Schwanenteich und im Gondelhafen gefunden, wobei letzterer manchmal mit dem Schwanenteich verwechselt wurde. Beide Areale liegen jedoch deutlich südlich der Insel. Die Anzahl der Fundstücke war dort auch sehr gering, im Vergleich zu denen am Nordufer der Konstanzer Bucht. 4  - So fasst Schnarrenberger zusammen: "Bei der Dominikanerinsel (Insel-Hôtel) wurden einige Reste von dickwandigen grossen Töpfen gefunden, von denen einige unter dem ausgebrochenen Rande tiefe Kerben haben, wie sie in Rauenegg öfters vorkommen. Ein Pfahlbau ist hier nicht konstatiert." 5 

Zum Verständnis der Bildanordnung im Kreuzgang muss für heutige Besucher festgehalten werden, dass im 19. Jahrhundert der Haupteingang zum Kreuzgang links des Gemäldes Pfahlbauten in der Südwestecke lag (Siehe die Zeichnung auf dieser Seite rechts oben). Damals begann man folglich chronologisch korrekt mit Bild 1. Erst 1965 wurde dieser Eingang in die Mitte der Westseite verlegt.

Vor allem an diesem Bild kann man sehr deutlich den im 19. Jahrhundert noch ungenügenden Forschungsstand zu den Pfahlbauten erkennen. Häberlin vereinigte anhand der wenigen Fundstücke verschiedene (vermutlich drei) Epochen in einem Gemälde. Für Archäologen ist die detailgetreue Wiedergabe Häberlins interessant, da sie sogar einzelne damals dem Künstler zugängliche Fundstücke darin wiedererkennen können. Für die archäologische Ausstellung im Jahr 2016 in Bad Schussenried und Buchau soll dieser Aspekt wissenschaftlich genau untersucht werden. Spätestens damit wird dieses Fresko, welches aus den Ergebnissen der Geschichtsforschung entstand, selbst wieder zum Forschungsobjekt der Geschichte.

Insbesondere das Haus auf den Pfahlbauten ist dem Denken des 19. Jahrhunderts geschuldet und entspricht nicht dem heutigen Forschungsstand. Auch die Szene selbst ist frei zusammenfabuliert. An den zahlreichen Details erkennt man, wie Häberlin seine Gemälde kompiliert und komponiert hat. Alle Fundstücke, alles Wissen und alles Denkbare wurden zusammengefasst und in einem Bild komprimiert.

Für Zeppelin selbst war dieses Bild sehr wichtig und er klammerte sich an jeden auch nur vage in Beziehung zur Insel setzbaren Fund der damaligen Zeit, den er - um Worte ringend - als angeblichen Beleg verwendete. 6  Zeppelin benötigte die Pfahlbauten auch in der logischen Abfolge seiner weiteren Bilder, die allesamt jeglicher Quellen entbehrten und vielen sogar widersprachen, als sichtbaren Beweis: Wenn es Pfahlbauten auf der Insel gegeben hätte, dann wären auch die anderen Bauten in seiner Denkweise möglich gewesen - ganz gemäß dem Motto: einmal bebaut, immer bewohnt. - Denn bei logischer Betrachtung hatten zu fast allen früheren Zeiten die Menschen eher hoch und trocken gebaut. Die große Sehnsucht nach dem romantisierten Wasser und der Natur kam erst mit der Romantik verstärkt auf. Zeppelin benötigte folglich einen Anfangspunkt, der exakt das Gegenteil bewies. Ansonsten wäre sein wackliges Kartenhaus der Gemälde bis 1236 sofort in sich zusammengefallen. - Letztendlich konnte der reformierte Zeppelin, wie zahlreiche mittelalterliche katholische Könige ihren Stammbaum auf den biblischen König David zurückführten, mit den Pfahlbauten seine Insel und somit sich auf die damals wesentlich modernere, wissenschaftliche Variante, die historisch bekannten Wurzeln der Menschheit zurückdatieren.

Und Zeppelin hatte mit seiner Geschichtsklitterung sofortigen Erfolg: Noch im Jahr 1887 schrieb ein anderer Wissenschaftler im Zusammenhang mit dem Inselhotel: "Man sucht auf der Insel zunächst die älteste Niederlassung des P f a h l b a u v o l k e s" 7  - Ohne jede Einschränkung, Zweifel oder Fragezeichen wird aus einem ahistorischen Gemälde ein historisches Faktum in einem wissenschaftlichen Werk.

Hier geht es zum zweiten geschichtlichen Ereignis auf der Insel - Verurteilung des heil. Märtyrers Pelagius. 272 n.Ch.

1 Tröltsch, Die Pfahlbauten des Bodenseegebietes, S. 9.

2 Schnarrenberger, Wilhelm, Prof., Die Pfahlbauten am Bodensee, S. 25.
Leiner, Die Entwicklung von Constanz, allg. S. 70ff. insbesondere, S. 80f.
Leiners Fundtücke kamen damals fast alle in das Rosgarten Museum. Man darf vermuten, dass Häberlin oder zumindest Zeppelin Leiners Artikel für das Gemälde verwendet hat und sich auch die Fundstücke im Museum angesehen hat.

3 Für die Hinweise auf zahlreiche Fundstücke in der Konstanzer Bucht bedanke ich mich bei Herrn Schlichtherle, Regierungspräsidium Baden-Württemberg, Denkmalamt Hemmenhofen. - Zahlreiche ältere Fundstücke wie z.B. Feuersteine, Scherben und Keramik befinden sich im Rosgartenmuseum in Konstanz. Dort finden sich auch Holzpfähle aus der Jungsteinzeit zu den Pfahlbauten der Konstanzer Siedlung.
Tröltsch, Die Pfahlbauten des Bodenseegebietes, S. 8ff. Die Pfahlbauten des Bodenseegebietes, Zeit ihrer Entdeckung.

4 Tröltsch, Die Pfahlbauten des Bodenseegebietes, verzeichnet in der "Fundliste der neolithischen Thongeräte" S. 135: "18. Inselhotel (Konstanz), 1 St. [steinzeitliche] Scherben von grossen, rohen Töpfen."
Sowie ebenda, S. 77: "14. Inselhotel, 1 St. Stein unbekannt." - "Feuerstein, unbekannt."
Hinweis: Tröltsch rubriziert alle Funde südlich der Insel fälschlicher Weise als "Inselhotel".
Laut Schnarrenberger, Die Pfahlbauten am Bodensee, S. 26, wurden jedoch allein bei Rauenegg hunderte von Fundstücken geborgen.
D.h. von den wenigen Fundstücken deutlich südlich der Insel lässt sich keineswegs auf eine gesicherte Pfahlbaustation auf der Insel schließen.

5 Schnarrenberger, Die Pfahlbauten am Bodensee, S. 28.
Deshalb irrte Tröltsch, der sich in einer Zusammenfassung der damaligen Fundergebnisse mehrfach auf Schnarrenberger und Leiner bezieht, wenn er erstens immer von der Insel / vom Inselhotel spricht und zweitens dort Pfahlbauten ansiedelt:
"Inselhotel, 1. St. [steinzeitlich], Areal: 0,5 ha. Diese unbedeutende Pfahlbaute lag südlich dicht an der Dominikanerinsel (jetzt Inselhotel), an der Stelle des dortigen Schwanenteichs. Sie wurde zufällig bei Wasserarbeiten entdeckt. Baureste: rohe Pfähle, Fundgegenstände: rohe Steinbeile und Scherben von großen, rohen Thongefässen. Die Ausbeute geschah durch L. Leiner." Tröltsch, Die Pfahlbauten des Bodenseegebietes, S. 224f.
Ebenda: Uebersicht der Pfahlbaustationen des Bodenseegebietes, Liste S. 11: Tröltsch verzeichnet fälschlicher Weise eine Pfahlbaustation aus der Steinzeit beim Inselhotel.

6 Zeppelin, Über die historischen Fresken von Professor Karl Häberlin im Kreuzgang des Inselhotels in Konstanz, S. 13f.

7 Kraus, Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden, S. 244. Die Sperrung des letzten Wortes entstammt dem Original.
Und auf S. 676 geht es unkritisch weiter: "Gegenwärtig (seit 1886) wird der Kreuzgang von Prof. Haeberlin, aus Stuttgart neuerdings mit Darstellungen aus der Geschichte der Insel bemalt." - So wurden bereits 1887 aus ahistorischen Gemälden wissenschaftlich zitierfähige historische Fakten.

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